Das Billet. Geschichte und Praxis einer epistolarischen Kleinform

Das Billet. Geschichte und Praxis einer epistolarischen Kleinform

In dieser Episode

Der Romantikspezialist Günther Oesterle untersucht in seinem Vortrag eine heute fast vergessene Kleinform, die in SMS und WhatsApp-Nachrichten in der Gegenwart doch ein eigentümliches Nachleben erfährt: das Billet. Aus Paris kommend entwickeln sich Billets im 18. Jahrhundert in ganz Europa neben dem Brief zu einer eigenständigen medientechnischen, materiell-ästhetischen und kommunikationsstrategischen Form: Billets sind nicht nur quantitativ kleiner als Briefe, es gibt für sie auch eigenes Papier und speziellen Siegellack, ein eigenes Format und einen typischen Stil.

In Form des Billets kann man sich Liebesbotschaften senden (billet doux), aber auch sein Unbehagen ausdrücken (billet scandaleux). Stets geht es jedoch um eines: auf den Punkt zu kommen. Dass das Billet eine heute weitgehend vergessene epistolarische Kleinform ist, verwundert umso mehr, als es im 18. Jahrhundert Teil der alltäglichen Lebensführung war, Ratgeberliteratur seine Praxis formatierte und fiktive Billets verschiedensten Charakters in die Publizistik einwanderten.

Der Beitrag ist der gekürzte und moderierte Mitschnitt des Festvortrags, den Oesterle am 16. November 2017 anlässlich der Eröffnung des Graduiertenkollegs Kleine Formen im Tieranatomischen Theater der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten hat. Der Vortrag trug den Titel »Flaschenpost, Kassiber, Billet-doux und billetscandaleuse? Das kleine ›Briefgen‹ im Alltag,in der Oper und in der Komödie«.

Großer Dank gilt Kathrin von Kieseritzky, die mit ihrem Saxophonduo nicht nur die Eröffnungsfeier des Graduiertenkollegs musikalisch abgerundet hat, sondern auch bereit war, Musik von ihrem Adumá-Saxophonquartett  für diese Podcastepisode zur Verfügung zu stellen. Musikalisch versierte HörerInnen werden in den Zwischentönen Mozarts Divertimento D-Dur, KV 136 sowie Alexander Konstantinowitsch Glazunovs Quartett B-Dur op. 109 von 1932 erkannt haben. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite: www.aduma-quartett.de.

Moderation: Marie Czarnikow und Florenz Gilly

 

Auswahlbibliographie

Aufsätze von Günter Oesterle

Schreibszenen des Billets, in: Christine Lubkoll/Claudia Öhlschläger (Hg.): Schreibszenen. Kulturpraxis Theatralität Poetologie. Festschrift für Gerhard Neumann zum 80. Geburtstag, Freiburg/Br. 2015, S. 115-135.

Artikel Billet, in: Jochen Strobel u.a. (Hg): Handbuch Brief, Stuttgart (im Erscheinen).

 

Literaturempfehlungen zum Billet

Berlinischer Briefsteller für das gemeine Leben. Zum Gebrauch für deutsche Schulen. Frankfurt/Leipzig 1796.

Billet, Billetieren, billet doux, in: Deutsches Fremdwörterbuch, begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler, Bd. 3, Berlin/New York 1997, S. 307-310.

Heynatz, Johann Friedrich: Handbuch zu richtiger Verfertigung und Beurteilung aller Arten von schriftlichen Aufsätzen des gemeinen Lebens überhaupt. Bd. 1, Wever 1781.

Kassiber. Verbotenes Schreiben, hg. von Heike Gfrereis, Marbach 2012.

Mick, Ernst Wolfgang: Goethes umränderte Blättchen, Dortmund 1982.

Moritz, Karl Philipp: Briefsteller, hg. von Albert Maier und Christoph Wingertszahn, Tübingen 2008.

Wiesel, Pauline: Paulines Liebesgeschichten. Briefwechsel mit Carl Gustav Brinckmann, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Friedrich Gentz und anderen, hg. von Barbara Hahn, Birgit Bosold und Ursula Isselstein, München 1998.

 

Credits

Bildnachweise

Jean-Honoré Fragonard: Der Liebesbrief (1770), Wikimedia Commons: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/64/Jean_Honore_Fragonard_The_Love_Letter.jpg

Jan Vermeer: Brief am offenen Fester (1658), gemeinfrei, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Briefleserin_am_offenen_Fenster#/media/Datei:Jan_Vermeer_van_Delft_003.jpg

Sounds

„A door knocker as heard from indoors“, BBC Sound Effects.

Musik

Adumá-Saxophonquartett

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