Maddalena Casarini

Maddalena Casarini

Kurzvita

2020 M.A. Europäische Literaturen, Humboldt-Universität zu Berlin

2018 B.A. Deutsch / Französisch (Lehramt), Humboldt-Universität zu Berlin

2017-2019 Deutschlandstipendium (Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung)

2011 B.A. Philosophie, Università di Bologna (Italien)

2009/10 Auslandsstipendium, Yeditepe-Üniversitesi, Istanbul (Türkei)

Publikationen

„Der Nachruf steht schon als Leitartikel im Satz“. Nekrologie in Gabriele Tergits Käsebier-Roman, in: Der Tod und seine Presse. Nachrufe im literarischen Feuilleton der Zwischenkriegszeit, hg. von Sabine Eickenrodt und Ethel Matala de Mazza, Berlin/Boston 2023, 179–196.

Kriegsjournalismus aus der Provinz. Colettes Heures longues, in: HeLix. Dossiers zur romanischen Literaturwissenschaft 15 (2023), H.1, 47-63. Abrufbar unter: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/helix/article/view/94309/89024.

Match der Masken. Die Heiratsinserate der Zwischenkriegszeit, in: Archiv für Mediengeschichte 19 (2021), Berlin 2021, 167-178.

Mit der Nachbarin ins Gericht. Journalistische und literarische Nachbarschaften bei Gabriele Tergit, in: NACHBARSCHAFTEN (2020). Abrufbar unter: http://zfl-nachbarschaften.org/2020/12/04/mit-der-nachbarin-ins-gericht/.

An jeder Sensation sehend Anteil nehmen. Inszenierungsstrategien der ersten fotografischen Gerichtsreportagen in der Weimarer Republik, in: Natur der Wahrnehmung – Kunst der Täuschung, hg. von Bild Wissen Gestaltung. Ein Interdisziplinäres Labor, Berlin 2019, 22–33.

Vorträge

Das Feuilleton als ‚Horchapparat‘. Gabriele Tergits „Berliner Existenzen“. Tagung „‚Aber es wurde‘. Zur Widerentdeckung Gabriele Tergits“, DLA-Marbach, 20. Oktober 2022.

‚Leser merken janischt‘. Unaufmerksamkeitsökonomien im „Käsebier“-Roman. Tagung „Gabriele Tergit, Chronistin der Moderne“, Warburg-Haus, Hamburg, 22. Juli 2022.

Der Tod ist eine Sache der Suggestion Nachrufe in Gabriele Tergits Käsebier-Roman, Workshop „Nekrolügen? Nachrufe im literarischen Feuilleton der 1920er und 1930er Jahre“, Humboldt-Universität zu Berlin, 19. November 2021.

In der Provinz auf das Kriegsende warten. „Les heures longues“ von Colette, 37. Romanistentag, Sektion „‚Provinz‘ in Serie. Diskurse der Regionalität in seriellen Erzählungen seit der Moderne“, Online-Veranstaltung, 4. Oktober 2021.

Lehre / organisierte Workshops & Konferenzen

Workshops/Konferenzen

16.09.-18.09.2021: Krise und Kleinformat. Von der Institutionskritik zur politischen Mobilisierung (1918-1933), Humboldt-Universität zu Berlin (mit Daphne Weber und Caroline Adler).

 

Lehre

WiSe 2022/2023  

Die Mediatisierung der „femme délinquante“ (1880–1940), Seminar,
Institut für Romanistik der Humboldt-Universität zu Berlin (Französisch).

WiSe 2020/2021

Die Reportage. 1853–1933, Seminar,
Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin (mit Stephan Brändle).

 

 

Die Dummheit vor Gericht. Die Prozessberichte von Colette, Else Feldmann und Gabriele Tergit

Im Zentrum meines Dissertationsprojekts stehen Prozessberichte der Zwischenkriegszeit, die während der Gerichtsverhandlungen Momente der Blödheit, des Schwachsinns oder der bêtise am Werke sehen – sei es in Gestalt der Prozessbeteiligten selbst, sei es in Form kalkulierter rhetorischer Strategien. Diese »Krankheiten des Kopfes« (Kant) entziehen sich festen, positiven Definitionen, oszillieren zwischenmedizinischem und alltagssprachlichem Diskurs und bezeichnen juridische Grauzonen sowie schwerfassbare Ausnahmefälle. Während die Kriminalanthropologie (insbesondere C. Lombrosos oder P. J. Möbius‘) die intellektuelle Unterlegenheit und das verbrecherische Wesen von Frauen untermauerte und ihnen somit den Zugang zu juristischen Ämtern weiterhin versperrte, profilierten sich begabte Gerichtsreporterinnen in der Tagespresse. Dort eigneten sie sich nicht selten Dummheit oder bêtise als Strategien an, um ihre Auseinandersetzung mit juristischen Themen zu legitimieren. Gabriele Tergit (1894–1982), Sidonie-Gabrielle Colette (1873–1954) und Else Feldmann (1884–1942), die in Berlin, Paris und Wien als Reporterinnen und zugleich als Romanautorinnen tätig waren, gehören zu jener Generation, für die der Gerichtsaal nur von den Rändern aus beobachtet werden konnte. Als Feuilletonistinnen, die, wie man denken sollte, keine Ahnung von juristischen Paragraphen hatten, zeigten sie sich besonders empfänglich für die Grenzfälle ›mangelhafter‹ Verbrecher – verwirrte Frauen, verhungerte Kinder oder auch Geisteskranke, die vor Gericht landeten. Ihre Prosastücke verbreiten, popularisieren oder unterlaufen das Wissen der zeitgenössischen forensischen Psychiatrie und Kriminalanthropologie.

Stupidity on Trial. The Court Reports of Colette, Else Feldmann, and Gabriele Tergit

My dissertation project focuses on interwar court reports that see moments of stupidity, imbecility, or bêtise at work during court proceedings—whether in the guise of the trial participants themselves or in the form of calculated rhetorical strategies. These “diseases of the head” (Kant) elude fixed, positive definitions, oscillate between medical and everyday discourse, and direct attention toward juridical gray areas as well as difficult-to-grasp cases. By the early twentieth century, the field of criminal anthropology emphasized the intellectual inferiority and criminal nature of women in particular. While the theories of criminologists such as C. Lombroso and P. J. Möbius fueled efforts to bar women’s access to legal offices, talented female court reporters nonetheless distinguished themselves in the daily press, often by using questions of stupidity or bêtise in order to legitimize their coverage of legal issues. Gabriele Tergit (1894-1982), Sidonie-Gabrielle Colette (1873-1954), and Else Feldmann (1884-1942), who all worked in Berlin, Paris, and Vienna as both reporters and novelists, belong to this generation for whom the courtroom could only be observed from the margins. As feuilletonists expected to have little understanding of the law, they proved particularly sensitive to the borderline cases of “defective” criminals who ended up in court: confused women, starving children, and the mentally ill. Their prose pieces disseminate, popularize, or subvert the knowledge of contemporary forensic psychiatry and criminal anthropology.

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