Sage

Sage

Die Sage kennt Nähe und Distanz zum Geschehen, Nüchternheit und wahnsinnige Furcht. Sie ist so beweglich, dass sie sich auch in der heutigen Zeit noch weiterdichten lässt. Historisch wurden die außergewöhnlichen Ereignisse aus der Sagenwelt nicht nur literarisiert, sondern auch ideologisch aufgeladen. Und die Sagengeschichte verdeutlicht, wie schnell historische Vereinnahmungen dann auch zum politischen Statement werden können.

Zur Walpurgisnacht nimmt uns Katrin Wellnitz mit durch die Geschichte der Sagenform. Auf die Spitze des Blocksbergs im Harzgebirge, wo eine Schar Hexen auf allem reitet, was sie „unterwegs antreffen“: „Besen und Ofengabeln, […] Haspeln, Butterfässern und Bäumen, auf Gänsen und Puterhähnen, Ziegen und Ziegenböcken, Hähnen und Katzenschwänzen“ (Günther: Aus dem Sagenschatz der Harzlande, S. 241). Manche sogar auf Menschen.

Die Sage rund um den Hexentanz auf dem Brocken wurde vielfach aufgegriffen – nicht nur von Friedrich Günther, dessen Literarisierung wir in Wellnitz’ Beitrag lauschen, sondern auch von Goethe, den Grimm-Brüdern, Grimmelshausen u. a., wobei sich ihre Bearbeitungen des Stoffes teilweise weit voneinander unterscheiden. So orientieren sich manche an historischen Quellen, andere fiktionalisieren den Stoff und wieder andere versuchen, nah an der mündlichen Erzähltradition zu bleiben.

Katrin Wellnitz gelingt es in ihrem Beitrag, einige Stationen und Bruchlinien dieser agilen kleinen Form zu skizzieren. Es ist ein kühner Ritt, der zurückführt in die ersten Tage der Menschheit und über Exkurse in Mittelalter und Frühe Neuzeit schließlich in unserer Gegenwart landet. Wir hoffen, Sie haben Gefallen daran und wünschen allen, die mithören, einen guten Flug!

Katrin Wellnitz promoviert an der Georg-August-Universität Göttingen. Thema ihrer Arbeit: „Sinn und Funktion von Märchen im Werk von Günter Grass“. Sie ist außerdem wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Deutsche Philologie Göttingen und koordiniert dort unter der Leitung von Prof. Heinrich Detering und Dr. Christian Fieseler die Arbeit im Göttinger Grass-Archiv. Rückfragen zu ihrem Beitrag beantwortet Wellnitz gerne unter katrin.wellnitz[at]uni-goettingen.de.

Literatur

Quellen

Diederichs, Ulf/Hinze, Christa: Sagen aus Niedersachsen. München 1998.

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust, in: ders.: Werke. Hamburger Ausgabe, hrsg. v. Erich Trunz, Bd. 3, Dramatische Dichtungen I, München 132000.

Günther, Friedrich: Aus dem Sagenschatz der Harzlande. Hannover/ Leipzig 1893.

Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von: Simplicissimus Teutsch, hrsg. v. Dieter Breuer. Frankfurt/ M. 32013.

Forschungsliteratur

Detering, Heinrich: »Du sprichst vom falschen Ort«. Zur Dialektik des Grotesken in Goethes Walpurgisnächten, in: Edith Anna Kunz/ Dominik Müller/ Markus Winkler (Hg.): Figurationen des Grotesken in Goethes Werken. Bielefeld 2012, S. 203-222.

Kemper, Tobias A.: Lufftfahrt und Hexentantz. Zauberei und Hexenprozeß in Grimmelshausens Simplicissimus, in: Simpliciana. Schriften der Grimmelshausen-Gesellschaft. Jg. 19. Bern/ Berlin/ Wien 1997, S. 107-123.

Petzoldt, Leander: Einführung in die Sagenforschung. Konstanz 1999.

Ranke, Friedrich: Grundfragen der Volkssagenforschung, in: Petzoldt, Leander (Hg.): Vergleichende Sagenforschung. Darmstadt 1969, S. 1-20.

Seidenspinner, Wolfgang: Sage und Geschichte. Zur Problematik Grimmscher Konzeptionen und was wir daraus lernen können, in: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung, hrsg. v. Rolf Wilhelm Brednich/ Hans-Jörg Uther. Bd. 33, Heft 1/2 1992, Berlin/ New York 1992, S. 14-38.

Voorwinden, Norbert: Sage, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hrsg. v. Jan-Dirk Müller. Bd. 3, Berlin/ New York 2007, S. 347-350.

Credits

Die Zitate wurden eingelesen von
Elisabeth Rudolph, Felix Lindner, Johannes Spengler und Florenz Gilly

Moderation: Lara Helder

Produktion: Florenz Gilly

Sämtliche Sounds und Musiktitel, die für diese Episode verwendet wurden, stehen
unter CC0-Lizenz (Public Domain)

Danksagung

An dieser Stelle möchten wir Katrin Wellnitz ganz herzlich danken – für ihre Geduld und Mühe und diesen verhext guten Beitrag zur Sage. Vielen, vielen Dank!

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